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Ein Artikel von Veronika Weber | 18.10.2022 - 15:20
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Genetische Analysen der Zirbenbestände im Nationalpark Gesäuse

Die Zirbe (Pinus cembra L.) weist eine im Vergleich zu anderen heimischen Baumarten stark begrenzte Verbreitung auf. Sie kommt ausschließlich in Europa vor, wobei ihre nahe Verwandte, die sibirische Zirbe (Pinus sibirica L.), weite Teile der sibirischen Taiga vom Ural bis zur Mongolei besiedelt. Auch das Kernverbreitungsgebiet von Pinus cembra L. in Europa teilt sich in zwei Regionen: einerseits findet man sie in den kontinental geprägten Zentralalpen und andererseits in den Karpaten.

 

Die Verbreitungsgeschichte der Zirbe

Das Areal in den Zentralalpen gilt als das Hauptverbreitungsgebiet, jene Populationen in den Karpaten gelten als Außenposten der Zirbenvorkommen. Dieses disjunkte Verbreitungsmuster ist das Ergebnis sich ständig ändernder klimatischer Bedingungen während der letzten Jahrtausende (Höhn et al. 2009). So ist es naheliegend, dass die uns heute isoliert bekannten Vorkommen der Zirbe vor rund 9.000 Jahren mit den zentralen Populationen in den westlichen Alpen ein zusammenhängendes Zirbenareal gebildet haben. Nachdem die Zirbe ihren Verbreitungshöhepunkt im subalpinen Gürtel vor rund 9.000 bis 6.000 Jahren erreicht hat, wurde sie mit zunehmender Erwärmung in immer höhere Lagen zurückgedrängt. Zusätzlich zu dem klimatisch bedingten Rückzug, leisteten auch die Menschen einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Fragmentierung (Tóth et al. 2019). Ihre vertikale Verbreitung wird und wurde vor allem durch die Beweidung der Almen stark limitiert (Heinze und Holzer 2013). Wesentliche Eingriffe in die ohnehin schon fragmentierten Populationen stellen auch das Sammeln der Zapfen für die Schnapsherstellung und der Ausbau der Infrastruktur im Hochgebirge dar (Farjon 2017). 

 

Die Bedeutung genetischer Konnektivität 

Je höher die genetische Diversität einer Art ist, desto höher ist auch ihr Potenzial sich an ändernde Umweltbedingungen anzupassen. Nicht nur das Vorhandensein verschiedener Allele (Genvarianten an einem Genort), sondern auch die räumliche Verteilung dieser innerhalb der Bestände spielen eine wichtige Rolle (Hamrick et al. 1992). Isolierte Populationen leiden häufig unter vermindertem Genfluss, was wiederum zu genetischer Isolation und höherer genetischer Differenzierung führen kann. Kommt es unter derartigen Bedingungen zu Inzucht, kann dies negative Auswirkungen auf das Verjüngungspotential und die Anpassungsfähigkeit folgender Generationen haben (Salzer 2011). Bedingt durch ihre lange Generationsdauer und die durch den Wind verfrachteten Pollen, vermag die Zirbe die Effekte räumlicher Isolation und Populationsfragmentierungen bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren. So konnten Bestände in den Karpaten trotz geringer Populationsgrößen, räumlicher Isolation und einem daraus resultierenden fehlenden genetischen Austausch mit anderen Populationen erhebliche genetische Ressourcen aufrechterhalten (Höhn et al. 2009). Die Vorkommen in den Hohen Tauern und dem Gesäuse liegen nahe an den eiszeitlichen Refugialgebieten der Zirbe, weshalb sie noch eine vergleichsweise hohe genetische Variation aufweisen könnten (Heinze und Holzer 2013). Die Zirbenbestände im Gesäuse bilden außerdem das östlichste, zusammenhängende Zirbenareal in Österreich und sind sowohl für den Nationalpark als auch überregional von besonderer Bedeutung (Langmaier und Hochbichler 2015). 

 

Der Tannenhäher als Ausbreitungsvektor 

Neben ihrer geringen Konkurrenzkraft im Vergleich zu Lärche, Fichte oder Latsche ist sie auch in ihrem Verbreitungspotential sehr eingeschränkt. Ihre Samen sind schwer und ungeflügelt. Im Laufe der Evolution hat sich ein Mutualismus mit dem Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) entwickelt. Der Vogel ernährt sich von den Samen der Zirbe und legt jene, die nicht sofort gefressen werden als Samenverstecke für den Winter an. Da nicht alle Verstecke wiedergefunden werden, trägt er wesentlich zur Verjüngung der Zirbe bei (Mattes 1982). Durch einen Transport weniger Samen auf neue Standorte, die nur einen Teil der ursprünglichen genetischen Variation der Ausgangspopulation abbilden, könnte jedoch eine daraus entstehende Population in Folge eine geringere genetische Diversität aufweisen (Gründereffekt). Einerseits verhilft der Vogel der Zirbe also neue Standorte bis über die Waldgrenze hinaus zu besiedeln, was ihr besonders im Klimawandel und im Vergleich zu anderen Baumarten einen Vorteil verschaffen kann. Andererseits ist er jedoch auch an der Ausbildung spezieller genetischer Muster innerhalb und zwischen den Populationen verantwortlich.

 

Die Genetik der Gesäusezirben

An vier exemplarischen Stellen im Nationalpark Gesäuse wurde die genetische Vielfalt der Zirben mit DNA-Markern erhoben und verglichen. In Summe wurden rund 380 Proben verteilt auf adulte Zirben und die Verjüngung gewonnen. Die genetische Diversität kann als relativ hoch und vergleichbar mit anderen, fragmentierten Beständen in den Alpen und Karpaten bezeichnet werden. Nennenswerte Unterschiede zwischen den Standorten treten erst mit größeren Entfernungen, abnehmender Dichte der Zirben, und bei starken geographischen Barrieren (z. B. Ennstal) auf. Für zahlreiche Jungbäume wurden Eltern(-teile) in unmittelbarer Nachbarschaft nachgewiesen, ein großer Teil der Verjüngung stammt aber auch von nicht untersuchten Bäumen ab. Letztere könnten in den größeren Beständen lokal zu suchen sein. Eine Verbreitung genetischen Materials über größere Entfernungen durch Pollen und/oder den Tannenhäher ist denkbar und den genetischen Daten nach zu urteilen auch plausibel. Die genetische Diversität im Gesäuse nimmt von der Elterngeneration zur Verjüngung nicht wesentlich zu. Eine leicht höhere beobachtete Heterozygotie in der Parentalgeneration könnte aber darauf hinweisen, dass sich über die Generationen hinweg die Heterozygoten durch Selektionsvorteile durchsetzen und übrigbleiben. Diese Tatsache ist für die Anpassung an den Klimawandel sehr wichtig. Die Verjüngung der Baumart sollte deshalb größtmöglich gefördert werden, um der natürlichen Selektion ein vielfältiges Ausgangsmaterial zur Verfügung zu stellen.

 

Die Zirbe im Klimawandel 

Mit der Klimaänderung wird auch die Zirbe zunehmend biotischem und abiotischem Stress unterliegen. Deshalb kann auch schwer vorhergesagt werden, wie sich die nächsten Generationen der Zirbe behaupten werden. Lange Generationsdauern erlauben keine spontanen Reaktionen auf sich ändernde Umweltbedingungen, womit eine generell niedrigere Anpassungsfähigkeit einhergeht. Zusammenfassend kann man aber von einer genetisch langfristig stabilen Gesamtpopulation ausgehen, wenn die Struktur, bestehend aus größeren und kleineren miteinander in genetischem Kontakt stehenden Beständen auch im Klimawandel erhalten werden kann. Dazu sollte die Zirbe in der Lage sein, neue Standorte zu besiedeln und sich dort zu etablieren, wenn sie in ihren derzeitigen Beständen zunehmend Konkurrenz von Fichte, Lärche und Latsche bekommt. Maßnahmen wären ein Monitoring der Häufigkeit von Mastjahren und der Qualität der Samen und eine Bedachtnahme auf die Rolle des Tannenhähers. Lokale Verhaltensstudien des Hähers können Informationen über sich neu etablierende Zirbengruppen liefern. Auch die Förderung der Naturverjüngung, ein entsprechendes Wildtiermanagement und der Schutz von einzelnen Pflanzen bei zu hohem Verbissdruck können wesentlich zum Erhalt der Zirbe, eine der wichtigsten Baumarten der Hochlagen, beitragen.

 

Kontakt: 

DI Lara Eigner, lara.eigner@gmx.at

 

Literatur:

EUFORGEN (2009) Distribution map of Swiss stone pine (Pinus cembra). www.euforgen.org

Farjon, A. 2017. Pinus cembra. The IUCN Red List of Threatened Species 2017 

Hamrick JL, Godt MJW, Sherman-Broyles SL (1992) Factors influencing levels of genetic diversity in woody plant species. In: Adams WT, Strauss SH, Copes DL, Griffin AR (Hrsg) Population Genetics of Forest Trees: Proceedings of the International Symposium on Population Genetics of Forest Trees Corvallis, Oregon, U.S.A., July 31–August 2,1990. Springer Netherlands, Dordrecht, S 95–124

Heinze B, Holzer K (2013) A review of research on Pinus cembra in Austria, with special reference to the conservation of genetic resources. Conference Volume 5th Symposium for Research in Protected Areas Mittersill 279–284

Höhn M, Gugerli F, Abran P, et al (2009) Variation in the chloroplast DNA of Swiss stone pine reflects contrasting post-glacial history of populations from the Carpathians and the Alps. Journal of Biogeography 36:1798–1806

Langmaier M, Hochbichler E (2015) Strukturanalyse von Karbonat Lärchen-Zirbenwälder im Nationalpark Gesäuse. Ersteinrichtung von Dauerversuchsflächen zur Beurteilung des Erhaltungszustandes und langfristigen Prognose der Entwicklung der Zirbenbestände in den Nordöstlichen Kalkalpen